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Das Album der 70er Jahre

Doch das Forum und sein Buch zeigen noch etwas anderes, mindestens ebenso Wichtiges: Dass die Bestimmung des Internet nicht darin liegen kann, zu jener Kommerzbude zu werden, zu der es die geist- und seelenlosen, nur an Gewinn-Maximierung interessierten Klons aus den Management-Beratungsfirmen machen wollen. Die Surfer des Internet, so beweist dieses Buch, sind mehr als bloße Besucher von Onlineshops, deren Daten es möglichst perfekt auszuwerten gilt und die nur unter einem einzigen Aspekt interessant sind: als Konsumenten.

Das Internet ist vielmehr in seinen wirklich revolutionären Momenten ein völlig neues Medium gemeinsamen Schreibens, Denkens, Erinnerns, Fühlens, Politisierens, das es so nur im virtuellen Raum geben kann. Genau das ist es, was das Netz groß und spannend und ärgerlich und phaszinierend gemacht hat und bleiben läßt.

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Und nun zu den "technisch-formalen Infos": Entstanden sind die Texte der Autorinnen und Autoren im Rahmen eines Forums. Das heißt: Jemand gab ein Thema vor (Musik, Bücher, Fernsehen, eine pointierte Meinung), die anderen ließen sich drauf ein und antworteten. Oder auch nicht - und ließen sich statt dessen ein neues Thema einfallen. So wuchs das Forum nach allen Seiten.

Im wesentlichen haben wir die so entstandene Ordnung beibehalten. Wo die Beiträge freilich etwas durcheinander gingen (was vor allem zu Beginn des Projekts geschah), haben wir sie geordnet und umgruppiert. Nötig wurde das zudem, da die Forum-Software keine Möglichkeit bietet, die Debatten genau zu strukturieren.

Wo nötig haben wir die Postings auch gekürzt. Schreiben viele Menschen über längere Zeit gemeinsam Texte zum selben Thema, passiert es häufiger, dass Fragen nochmals gestellt und beantwortet werden, dass Autoren ihre eigenen Texte nochmals posten, weil sie aus welchen geheimnisvollen technischen Gründen auch immer, verschwunden sind (und dann wieder auftauchen). Und bisweilen erschöpften sich Postings auch in einfachen Fragen wie "Ich kann mich an die Sesamstraße erinnern", ohne dass das genauer ausgeführt würde.

Und schließlich hat ein Buch ganz einfach physisch vorgegebene Grenzen (die wir ohnehin deutlich überschritten haben - dass er das zugelassen hat, dafür vielen Dank an den Böhlau Verlag), während das Internet sich seine Beschränkungen selber macht. Das ist der Grund, wieso sich hier das eine oder andere Posting nicht wiederfindet.

Was sonst noch wichtig ist:

# Die Namen der Autorinnen und Autoren: Wir haben diejenigen verwendet, die sie sich selbst gegeben haben. Anonymität, wo sie gewünscht war, bleibt so garantiert.

# Seltsame Zeile vor jedem Posting: Sie sieht so aus:

70/099, 2000-03-22, 13:47, anko

So kryptisch sie wirkt, so leicht ist sie zu dechiffrieren: Vorne steht die Nummer des "thread", also des Themas, zu dem der jeweilige Text geschrieben wurde. Dann folgen das Datum (american style) und die Uhrzeit, zu denen der Beitrag geschrieben wurde; und hinten ist der Name des Schreibers angeführt.

# Orthographie: Im Buch geht alles durcheinander: Während die einen versuchten, die neue Rechtschreibung möglichst perfekt anzuwenden, sind andere mit der radikalen Kleinschreibung und der Umschreibung der Umlaute ("ä" -> "ae") groß geworden (früher war es ja im Netz nicht möglich, so exotische Zeichen wie ein Eszett abzubilden. Der Grund: Die Amerikaner bestimmten die Schriftnormen). Und wieder andere verwendeten eine Art Privatrechtschreibung, deren Regeln bitte bei ihnen nachzufragen sind.

 
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© Anko Ankowitsch 2000